Poesiebüchlein für Fritz Beyer

Zwei Heftchen, in die er mit Bleistift in Sütterlinschrift geschrieben hat, stellte Friedrich Beyer (in „Die Geschichte vom Schwiegervater“ das Vorbild für den Protagonisten Friedrich Berger) 1947 in russischer Kriegsgefangenschaft aus Zigarettenpackungen her. Das Originalformat der von ihm selbst als „Poesiebüchlein“ bezeichneten Buchobjekte ist ungefähr 8,5 x 6,5 cm. Fotograf: Bernhard Beyer

Heft 1 - Titel Welle

Heft 1
Heft-Titelseite mit Welle und Möwe, übersetzt heißt die Zigarettenmarke „Welle“

Heft 1 - Poesiebüchlein

Heft 1
Josef v. Eichendorf – 1788-1837 (eigentlich -1857)
„Poesiebüchlein für Fritz Beyer“ – Überschrift links: Durch die Welt

Laß dich die Welt nicht fangen,
Brich durch, mein freudig Herz,
Ein ernsteres Verlangen
Erheb dich himmelwärts!

Greif in die goldnen Saiten,
Da spürst du, daß du frei,
Es hellen sich die Zeiten,
Aurora scheinet neu.

Es mag, will alles brechen,
Die gotterfüllte Brust
Mit Tönen wohl besprechen
Der Menschen Streit und Lust.

Heft 1 - im stillen Land

Heft 1
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab‘ ich mir heimlich gedacht:
Ach wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!

Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften

Heft 1 - die Stille

Heft 1
Sich stürzen in die Waldesnacht.
Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die über’m Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht. —

Die Stille
Es weiß und räth es doch Keiner,
Wie mir so wohl ist, so wohl!
Ach, wüßt’ es nur Einer, nur Einer,

Heft 1 - dein Mantel

Heft 1
Kein Mensch es sonst wissen soll.
So still ist’s nicht draußen im Schnee,
So stumm und verschwiegen sind
Die Sterne nicht in der Höhe,
Als meine Gedanken sind.
Da fliegen zwei Lerchen auf,
Die überfliegen einander,
Mein Herze folgt ihrem Lauf.
Ich wünscht’, ich wäre ein Vöglein
Und zöge über das Meer,
Wohl über das Meer und weiter,
Bis daß ich im Himmel wär’.

Heft 1 - Heftmitte mit Fadenbindung des Poesiebüchleins von 1947

Heft 1
Mondnacht
Es war, als hätt’ der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt’.
Die Luft ging durch die Felder,
Die Aehren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

Der Freund
Wer auf den Wogen schliefe,
Ein sanft gewiegtes Kind,
Kennt nicht des Lebens Tiefe,
Vor süßem Träumen blind.
Doch wen die Stürme fassen
Zu wildem Tanz und Fest,
Wen hoch auf dunklen Straßen
Die falsche Welt verläßt:
Der lernt sich wacker rühren,
Durch Nacht und Klippen hin
Lernt der das Steuer führen
Mit sichrem, ernstem Sinn.

Heft 1 - Morgengebet 1-2-3

Heft 1
Der ist vom echten Kerne,
Erprobt zu Lust und Pein,
Der glaubt an Gott und Sterne,
Der soll mein Schiffmann sein!

Morgengebet
1-2-3
Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
Will ich, ein Pilger, frohbereit
Betreten nur wie eine Brücke
Zu dir, Herr, übern Strom der Zeit.

> rechts

Und buhlt mein Lied, auf Weltgunst lauernd,
Um schnöden Sold der Eitelkeit:
Zerschlag‘ mein Saitenspiel, und schauernd
Schweig‘ ich vor dieser Ewigkeit.

Magst du zu den Alten halten
oder Altes neu gestalten,
mein’s nur treu und laß Gott walten.

Heft 1 - Gott gab

Heft 1
Gott gebe denen, die mich kennen
tausendmal mehr, als sie mir selber gönnen.

Heft 1 - Morgengebet

Heft 1

Heft 1 - dass ich mein Leben allzugut

Heft 1